Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer

Für welche Arbeitnehmer besteht ein besonderer Kündigungsschutz?

 

Unter bestimmten Voraussetzungen genießen schwerbehinderte Arbeitnehmer einen besonderen Kündigungsschutz. Nach § 85 SGB IX ist dies der Fall, wenn der betroffene Arbeitnehmer wenigstens einen Grad der Behinderung von 50 besitzt.

 

Auch Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung von mindestestens 30, die nach § 2 Abs. 3 SGB IX durch die Agentur für Arbeit gleichgestellt wurden, genießen besonderen Kündigungsschutz. 

 

Welche weiteren Voraussetzungen sind für den besonderen Kündigungsschutz erforderlich? 

 

Der besondere Kündigungsschutz gilt nach der Rechtsprechung des BAG unter folgenden Voraussetzungen: 

  • Erforderlich ist ein Antrag auf Gleichstellung oder Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. Dies muss mindestens 3 Wochen vor Zugang der Kündigungserklärung erfolgt sein.
  • Das Versorgungsamt oder die nach Landesrecht zuständige Behörde bzw. die Agentur für Arbeit hat innerhalb einer First von drei Wochen keine Entscheidung getroffen. Dies darf nicht allein auf fehlender Mitwirkung des Antragstellers beruhen.

Was konkret bedeutet "besonderer Kündigungsschutz"?

 

Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz bietet der besondere Kündigungsschutz für den schwerbehinderte Arbeitnehmer und nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellten Arbeitnehmern ein zusätzliches Kündigungsschutzrecht, auf die sich die betroffenen Arbeitnehmer berufen können.

 

Konkret bedeutet dies, dass der Arbeitgeber vor der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen die Zustimmung des Integrationsamtes (§ 85 SGB IX) benötigt. Die vorherige Zustimmung ist der wesentliche Inhalt des besonderen Kündigungsschutzes. Erst wenn die Zustimmung des Integrationsamtes vorliegt, kann der Arbeitgeber die Kündigung wirksam erklären. Erfolgt die die Kündigung ohne die Zustimmung des Integrationsamtes, ist sie unwirkam. Eine nachträgliche Zustimmung oder Genehmigung durch das Integrationsamt ist nicht möglich.

 

Welchen entscheidenden Vorteil hat der Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX ?  

 

Während der allgemeine Kündigungsschutz in der Regel voraussetzt, dass im Betrieb des Arbeitgebers mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt sind, ist der Sonderkündigungsschutz des § 85 SGB IX auch in kleineren Betrieben anwendbar. Selbst dann, wenn der Arbeitgeber nur einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin beschäftigt, wäre der Sondekündigungsschutz nach § 85 SGB IX anwendbar.

 

Besteht der Sonderkündigungsschutz vom ersten Tage des Bestehens des Arbeitsverhältnisses?

 

Nein, die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen innerhalb von 6 Monaten seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses ist zustimmungsfrei (§90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Es ist ausreichend, wenn der Arbeitgeber die Kündigung innerhalb der Sechsmonatsfrist erklärt, selbst wenn die Kündigungsfrist danach endet.

Innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gibt es daher kein Sonderkündigungsrecht.

 

Wie wird der Sonderkündigungsschutz geltend gemacht?

 

Natürlich können Sie zunächst mit Ihrem Arbeitgeber sprechen und nachfragen, ob vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des zuständigen Integrationsamtes vorgelegen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, können Sie Ihren Arbeitgeber bitten, die Kündigung "zurückzunehmen".

 

Erfolgt dies nicht, sollten Sie unverzüglich Kündigungsschutzklage erheben.

 

Welche Fristen sind dabei zu beachten?

 

Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden:

 

1. Der Arbeitgeber kennt die Schwerbehinderteneigenschaften nicht:

 

In diesem Fall ist die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht zu erheben.

 

Im Rahmen dieser Kündigungsschutzklage können dann auch weitere Gründe geltend gemacht werden, die gegen die Unwirksamkeit der Kündigung sprechen, so zum Beispiel, dass die Kündigung sozialwidrig nach § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist.

 

2. Der Arbeitgeber kennt die Schwerbehinderteneigenschaft, holt aber die erforderliche behördliche Genehmigung nicht ein oder diese liegt noch nicht vor.

 

Ist die Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber bekannt, beginnt die 3-Wochenfrist erst mit Bekanntgabe der Zustellung des Integrationsamtes an den Arbeitnehmer. In den Fällen der gesetzlichen Zustimmungsfiktionen nach § 9 III 2 SGB IX (zwei Wochen nach Antragseingang bei außerordentl. Kündigungen) und nach § 88 V 2 SGB IX (einen Monat nach Antragseingang bei Auflösung v. Betrieben oder Dienststellen) hat das Integrationsamt den Arbeitnehmer über den Zeitpunkt des Antragseingangs informieren, um die dreiwöchige Klagefrist in Lauf zu setzen. Hat der Arbeitnehmer die Feststellung der Schwerbehinderung spätestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung beantragt, ist er verpflichtet, innerhalb einer Regelfrist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung dem Arbeitgeber zusätzlich zur fristgemäßen Klageerhebung seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderung anzuzeigen. Anderenfalls verwirkt er seinen Kündigungsschutz als Schwerbehinderter.